RICHTER
Das Buch der Richter beschreibt Israels 350 jährige Geschichte zwischen dem Tod von Josua und der Zeit, als eine Monarchie entstand. Es deckt also die Geschichte von etwa 1380-1043 BC. Der Autor nennt seinen Namen nicht und es gibt keine übereinstimmende Tradition, wer der Autor gewesen sein könnte. Es ist am wahrscheinlichsten, dass der Prophet Samuel (oder vielleicht Prophet Nathan oder Gad) der Schreiber war.
Viermal in Buch der Richter wird der bedeutungsschwere Satz gebraucht: «Damals gab es keinen König in Israel, und jeder tat, was er für richtig hielt» (Rich 17,6; 18,1; 19,1; 21,25). Davon lässt sich schliessen, dass es zur Zeit der Niederschrift von Richter bereits ein Königtum gab, was auf ein Datum nach 1043 BC hinweist. Dieser Satz deutet auch darauf hin, dass das Buch Richter dazu geschrieben wurde, um eben diese Könige, die Anführer Israels und das ganz Israel zu warnen und zu lehren, damit sich die bedenklichen Ereignisse, die in Richter beschrieben sind, nicht wiederholen. Es kann gut sein, dass Samuel mit diesem Buch den jungen König Saul, später David, und ganz Israel unterrichtet und anleitet.
Das Buch Richter beginnt genauso, wie Josua endete: Die Beschreibung der Zerstörung der sieben Völker in Kanaan und der Inbesitznahme des Landes. Der Krieg ist gewonnen, die Feinde besiegt und vertrieben und das verheissene Land kann von Israel in Besitz genommen werden.
Aber die Besiedelung und wirkliche Inbesitznahme der verlassenen Städte erweist sich als schwieriger als erwartet. Israel macht nicht wirklich vorwärts und die vertriebenen kanaanitischen Bewohner kehren langsam zurück, was zeigt das viele nicht vernichtet wurden, sondern eher verjagt.
Wann immer sich Israel bemüht, das Land in Besitz zu nehmen ist es erfolgreich (Rich 1,3-26), aber oft versuchen sie es gar nicht und viele Städte und Dörfer bleiben unbewohnt und werden von den vertriebenen Kanaanitern wieder bewohnt (Rich 1,20 21 27 29 31 33-36). Dadurch verstösst Israel gegen das Gebot Gottes, die Bewohner gänzlich zu vertreiben und sich nicht mit ihnen zu vermischen (5.Mose 7,2-4). Stattdessen passiert genau das umgekehrte: Israel lebt nicht nur mit den Kanaanitern zusammen, sondern gehen gemischte Ehen ein. Das führt zu einem langsamen Abfall in verschiedene Arten von kanaanitischen Götzendienst, etwas, wovor Gott sie eindringlich gewarnt hat.
Eine tragische Spirale beginnt sich zu drehen (Rich 3-16): Israel sinkt in den Götzendienst, vernachlässigt Gott und sein Gesetz und brechen damit den mit Gott geschlossenen Bund. Somit beginnen alle negativen Folgen, die schon im fünften Buch Mose vorausgesagt: moralischer Niedergang, soziale Ungerechtigkeit und politische Schwäche. Die umliegenden Nationen erstarken unterdrücken und beherrschen Israel immer wieder. In seinem Elend erinnert sich Israel an seinen Gott, tut Busse und kehrt zu ihm um. Gott, in seiner Gnade, beruft als Antwort auf ihre Busse einen Richter, der sie befreit, meist durch einen militärischen Sieg. Es folgen Jahre des Friedens. Nach einigen Jahren aber beginnt das Ganze wieder von vorne, die Israeliten stürzen immer wieder ab, meist schlimmer als beim letzten Mal. Der Charakter und die Gottesfurcht der berufenen Richter nimmt auch immer mehr ab. Es scheint fast, als ob es für Gott immer schwieriger werde, geeignete, vertrauenswürdige Leiter für Israel zu finden. Die früheren Richter wie Othniel, Debora und Barak zeigen wirkliche Rechtschaffenheit, aber die Qualität nimmt ab: Gideon ist ein eher gemischtes Bild, Jephtah ist schwierig und Simson ein Trauerspiel.
Das Buch Richter zeigt auch an drei ausgesuchten Fallstudien die verheerenden Folgen der Gesetzlosigkeit. Eine solche Fallstudie zeigt Abimelech, den Sohn Gideons, der sich in einem blutigen Putsch zum lokalen König ausruft (Rich 9). Eine zweite Fallstudie zeigt einen verarmten Leviten, der zum Götzenpriester für eine Familie und dann für den ganzen, gewaltbereiten Stamm Dan wird (Rich 17-18). Die letzte Fallstudie zeigt die israelische Stadt Gibeah, die sexuelle Gewalt toleriert, in einem Mass fast wie Sodom (Rich 19-21). Als der verantwortliche Stamm Benjamin sich weigert, Gibeah zur Rechenschaft zu ziehen, rührt ein feiger, aber rachsüchtiger Levite die Situation auf, was sich schlussendlich zu einem blutigen Bürgerkrieg auswächst. Israel wird geistlich, moralisch und politisch korrupt, und gleicht in beängstigender Weise mehr und mehr den Kanaanitern, und nicht einem erwählten Volk.
Kommt.