ESRA
Die Bücher Esra und Nehemia beschreiben die Geschichte der aus dem babylonischen Exil nach Judäa zurückkehrenden Juden, eine Spanne von etwa fünfundachtzig Jahren (539 – 458 BC). In den jüdischen Schriften sind die beiden Bücher Esra und Nehemia ein Doppelband namens Esra I und Esra II. Beide wurden vom Schriftgelehrten Esra geschrieben und hängen fest zusammen.
Die Juden wurden 586 BC ins Exil nach Babylon geführt und lebten dort unter besseren Bedingungen als zuerst befürchtet. Der Prophet Jeremia hatte vorhergesagt, dass das Exil nur siebzig Jahren andauern würde (Jer 29,11), was zu jener Zeit eine waghalsige Voraussage war.
Als dann aber in 539 BC die Medo-Perser unter König Kyrus das gesamte babylonische Reich erobern und es sich zu eigen machen, gibt es grosse Veränderungen. Die Babylonier hatten die von ihnen eroberten Völker zwangsumgesiedelt und willentlich vermischt. Die Strategie der Medo-Perser gegenüber den von ihnen eroberten Völkern war ganz anders: sie erlaubten den Völkern in ihre Heimat zurückzukehren. Esra beginnt seine Erzählung mit diesem ausserordentlichen Erlass der Königs Kyrus, der Gottes Souveränität über die Menschengeschichte und seine Treue seinem Wort gegenüber hervorhebt. Der Erlass erlaubt den Juden, nach Judäa zurückzukehren und dort den Tempel wieder aufzubauen.
In 538 BC kehren etwa fünfzig tausend Juden unter der Leitung von Serubbabel, einem Enkel des Königs Jehoiachin, nach Judäa zurück (Esra 1). Esra zählt die Rückkehrer gegliedert nach Familie und Heimatstadt auf, viele namentlich (Esra 2). Esra unterstreicht damit die Wichtigkeit ihres Gehorsams Gottes Ruf gegenüber. Unmittelbar nach der Rückkehr nach Judäa in 536 BC bauen sieden Bronzealtar wieder auf, stellen ihn an den ehemaligen Ort und beginnen die regelmässigen Opfer darzubringen. Sie stellen so ihr religiöses Zentrum wieder her und nahen sich Gott wie es das Gesetz vorschreibt (Esra 3). Nachdem sie sich in den verschiedenen Dörfern und Städten niedergelassen hatten beginnen sie mit dem Wiederaufbau des Tempels an der historischer Stelle. Dies ruft aber sehr schnell Opposition hervor. Zuerst signalisieren die Samariter, ein Mischvolk, das Interesse, beim Wiederaufbau mithelfen. Serubbabel verweigert dies, wahrscheinlich weil er eine Vermischung mit dem synkretistischen samaritisch Glauben befürchtete. In der Folge wenden sich die Samariter gegen die Juden, bedrohen sie und versuchen durch Bestechung von Regierungsstatthaltern den Bau des Tempels zu verhindern. Dies gelingt und der Bau wird für etwa fünfzehn Jahre aufs Eis gelegt (Esra 4).
Im Jahr 520 BC fordert Gott die Juden durch die Propheten Haggai und Sacharja auf, den Bau des Tempels wieder aufzunehmen. Sie gehorchen, sehen sich aber dem Widerstand des Provinz Statthaltes Tatnai und seinem Vize Setar-Bosnai gegenüber. Sie gelangen dann direkt an den medo-persischen König Darius und fragen nach seinen Anweisungen (Esra 5). Doch dieses Mal unterbrechen die Juden den Wiederaufbau nicht. König Darius lässt in seinem Archiv nachforschen und findet ein Dokument, in welchem König Cyrus den Juden den Befehl gab, den Tempel wieder aufzubauen. Er sendet dann Tatnai die Anweisung, die Juden nicht nur nicht zu behindern, sondern in ihrem Unterfangen zu unterstützen. Im Jahr 516 BC, genau siebzig Jahre nach der Zerstörung, wird der neue Tempel fertig und festlich eingeweiht.
Im Jahr 458 BC kehrt der Schriftgelehrte Esra mit etwa 1500 Juden, vor allem Priestern und Leviten, von Babylon nach Judäa zurück. Esra bringt mit sich auch Schriftstücke des medo-persischen Königs Artasasta, die die nötigen Hilfsmittel für den Tempelbau vorsehen und die Leviten vom Steuern zahlen befreien.
Bei seiner Ankunft in Judäa ist Esra erschrocken, dass die zurückgekehrten Juden schon wieder Mischehen mit Ungläubigen eingegangen sind nach genau dem gleichen Muster, das Israels Untergang beim ersten Mal einläutete (Rich 2; 1.Kön 11). Esra sitzt im Schweigen vor Gott, betet und nach und nach beginnt Gottes Überführung in den Betroffenen zu wirken. Sie machen eine Vereinbarung, sich von ihren fremden Frauen zu trennen und führen das dann auch aus (Esra 10). Ein hundert und zehn Ehen wurden so annulliert, was wahrscheinlich weniger als ein halbes Prozent der Ehen insgesamt war. Es scheint, dass Esra das Problem im Keim entdeckt und erledigt.
Esra schreibt dieses Buch um die zurückgekehrten Juden zu ermutigen und ihnen zu zeigen, dass, obwohl ihre Situation nicht so rosig ist, dass Gottes Zusage zu ihnen unbeirrbar bleibt. Sie mögen wohl in der Minderzahl sein, bedrängt von andern Völkern, nur zum Teil im Besitz ihres Landes, ohne davidischen König als Leiter, aber trotz all dem ist Gott bei ihnen, schützt sie und segnet sie. Esra versichert ihnen, dass Gottes Versprechen auf ihnen ruht, ermahnt sie aber auch, dass sie Gottes Volk nur dann sein können, wenn sie treu zu Gott sind und sein Gesetz halten.
Kommt.