OBADJA
Von Obadja ist nichts bekannt, ausser seiner kurzen, aber starken Prophezeiung der endgültigen Zerstörung Edoms. Obadja identifiziert sich selbst in keiner Weise, wie wenn er im Hintergrund bleiben wollte. Da er in seiner Prophezeiung weder König noch Priester beim Namen nennt, ist sie schwierig historisch einzuordnen, Daten von 840 BC bis 586 BC sind vorgeschlagen worden.
Und doch bezieht sich Obadja auf ein ganz spezifisches, geschichtliches Begebenheit: Eine fremde Macht, die nicht mit Namen genannt wird – nicht Edom! -, ist in Jerusalem einmarschiert, hat es besiegt, geplündert und Gefangene gemacht. Wieso denn prophezeit Obadja dann gegen Edom? Was ist Edoms Vergehen? Weswegen verurteilt Gott?
Obadiah macht Gottes Gründe für seine Richtspruch sehr klar: «Ihr Edomiter habt euer Brudervolk, die Nachkommen von Jakob, grausam misshandelt. Diese Schande lastet auf euch, und darum werdet ihr für immer vernichtet. Als fremde Truppen durch die Tore von Jerusalem einmarschierten, … habt ihr sogar mit den Feinden gemeinsame Sache gemacht. Ihr hättet damals nicht so schadenfroh das Unglück der Judäer mit ansehen dürfen! Warum habt ihr euch über ihr Leid lustig gemacht und gespottet, als sie in Not waren? …. ihr seid auch noch in die eroberte Stadt eingedrungen und habt euch angesehen, wie die Menschen dort litten! Den letzten Besitz meines Volkes habt ihr an euch gerissen. Und wenn einige von ihnen fliehen konnten, habt ihr ihnen heimtückisch an den Wegkreuzungen aufgelauert, um sie zu töten oder an ihre Verfolger auszuliefern!» (Oba 10-14)
Edom hat schamlos die Eroberung Judas durch eine fremde Macht zu ihrem eigenen Vorteil ausgenutzt und sogar Flüchtlinge versklavt. Aber noch mehr klagt Gott ihre Schadenfreude und Rachsucht an, dass sie sich über das Unglück eines andern Volkes freuen konnten. Das ist im vorliegenden Fall besonders schlimm, da Edom und Israel Brudernationen sind, Obadja spricht von «deinem Bruder Jakob».
Dies Aussage bezieht sich auf 2. Mose 25,19-28: Isaak und Rebecca hatten Zwillinge, Esau und Jakob. Von Jakob stammt Israel ab (oder jetzt die zwei Nationen Israel und Juda, die sich 931 BC trennten), von Esau, dessen anderer Name Edom war (1.Mose 25,30) das Volk Edom. Schon seit der Geburt gab es Streit und Rivalitäten zwischen den beiden Brüdern (1.Mose 25-28) aber auch Versöhnung (1.Mose 32-33). Das Verhältnis der daraus entstandenen Völkern verschlechterte sich durch die Jahrhunderte.
Einige interpretieren Obadja in die Richtung, dass Gott jedes Volk strafen wird, das gegen sein auserwähltes Volk Israel vorgeht (Betonung auf Auserwählung). Andere verstehen die Prophezeiung Obadjas so, dass Gott Bosheit, Missgunst, Rachsucht und Schadenfreude über das Unglück anderer oder das Ausnützen der Niederlage eines andern hasst – unabhängig davon, gegen wen sie gerichtet ist (Betonung auf ungerechter Behandlung). Wie auch immer Obadja interpretiert wird, seine Warnung gegen Unversöhnlichkeit, Missgunst, Hass und Missbrauch einer schwächeren Person ist immer gültig.
Was hat dazu geführt, dass Edom diese miese Einstellung gegenüber Israel hatte? Obadja streicht Edoms Stolz, ihre Selbstsicherheit, Unabhängigkeit und Überschätzung ihrer eigenen Stärke heraus: «Der Hochmut deines Herzens hat dich verführt, weil du an Felshängen wohnst, in der Höhe thronst und in deinem Herzen sprichst: »Wer wird mich zur Erde hinunterstossen? Wenn du aber auch dein Nest in der Höhe bautest wie der Adler und es zwischen den Sternen anlegtest, so würde ich dich doch von dort hinunterstürzen!, spricht der Herr» (Oba 3-4). Obadja verwendet die geographischen Besonderheiten Edoms hier bildlich: Edom liegt im heutigen Jordanien und ist gebirgig, extrem trocken, unzugänglich und damit einfach zu verteidigen. Die Edomiter bauten ihre Behausungen zum Teil in dem Fels, das heutige Touristenziel «Petra» ist eine edomitische Stadt. Auch Obadjas Verurteilung von Stolz, Unabhängigkeit und falscher Sicherheit behält ihre Gültigkeit bis heute.
Wir wissen nicht, ob Obadja jemals in Edom war um seine Prophezeiung auszusprechen, ob er sie möglicherweise durch Botschafter an Edom übermittelte (ähnlich wie Jer 27,3-4) oder ob er sie als Botschaft des Trostes an Juda richtete, um ihnen zu zeigen, dass Gott die Ungerechtigkeiten, die ihnen widerfahren sind, gesehen hat und zu seiner Zeit Edom sicherlich dafür richten wird.
Obadjas Prophezeiung der kommenden Zerstörung Edoms bewahrheitet sich: Edom wird zuerst durch die Babylonier im 582 BC, dann durch die Araber in 450BC und schliesslich die Nabatäer in 312 BC erobert. Die Nabatäer vertreiben die restlichen Edomiter und einige von ihnen siedeln sich im Negev, dem Wüstengebiet südlich von Juda, an, dass ihm Neuen Testament «Idumäa» (abgeleitet vom Wort «Edom») genannt wird. Nach dem jüdisch-römischen Krieg im Jahre 66-70 AD hören die Edomiter auf als Volk zu existieren.