HOSEA
Wir wissen über das Leben den Propheten Hosea nur soviel, wie sich aus seinem Buch herauslesen lässt. Hosea wird von Gott berufen, nicht nur seine Botschaft weiterzugeben, sondern selbst eine Botschaft zu sein. Gott befielt ihm: «Geh, erwirb dir eine hurerische Frau und Hurenkinder; denn das Land ist dem Herrn untreu geworden und hat sich der Hurerei hingegeben!» (Hos 1,2). Einige Meinungen gehen dahin, dass Gott niemandem befehlen würde, eine Prostituierte zu heiraten und verstehen darum diese Vers nicht wörtlich, das heisst die Frau, die Hosea heiratete war eine götzenanbetende Frau, aber keine Prostituierte. Aber es ist wahrscheinlicher, dass Hosea wirklich eine Prostituierte heiratete oder eine Frau mit diesem Ruf. Er hat drei Kinder mit ihr, deren Namen Gottes eine Kurzformel für Gottes Botschaft an Israel sind (Hos 1,4-9). Später verlässt die Frau ihn und er muss sie von ihrem neuen Liebhaber zurückkaufen (Hos 3,1-3), was eine öffentliche Demütigung bedeutet.
Somit wird Hoseas Eheleben zu seiner Botschaft: Durch Hosea nennt Gott den Bund, den er mit Israel am Sinai geschlossen hat einen Ehebund (2.Mose 19). Israel hat sich dieser dieser hohen Ehrerweisung Gottes ihnen gegenüber nicht würdig gezeigt, genau so wie sich Hoseas Frau dem ehrenhaften Eheversprechens Hoseas nicht würdig erweist. Gott, aus lauter Erbarmen, hat sich Israel gegenüber verpflichtet, aber im Gegensatz dazu hat Israel leichtfertig, wiederholt und willentlich den Bund gebrochen, indem es fremde Götter anbetete und Gottes Gesetz brach. Gott wird so zum verschmähten Liebhaber und verlassenen Ehemann. Israels Abgebrühtheit, Stolz und Gleichgültigkeit stehen in krassem Gegensatz zu Gott, der keinen Stolz hat, sondern der das eigensinnige Israel auch jetzt noch in den ehrenden Ehebund zurück nehmen will, – wenn es nur zu ihm umkehren würde. Die äusserste Hingabe Gottes in der Suche nach seinem Volk sollte den Menschen zu Herzen gehen, aber die Untreue ist zu Hoseas Zeit schon sehr weit fortgeschritten.
Gott erhebt Anklage: «Denn der Herr hat einen Rechtsstreit mit den Bewohnern des Landes, weil es keine Wahrheit, keine Liebe und keine Gotteserkenntnis im Land gibt. Fluchen und Lügen, Morden, Stehlen und Ehebrechen hat überhandgenommen, und Blutschuld reiht sich an Blutschuld. Darum trauert das Land» (Hos 4,1-3). Hosea sieht die Ursache dieses Zustandes vor allem in den Leitern des Volkes, sowohl der politischen (Könige, Beamte) als auch der geistlichen Leiter (Priester, Propheten): «Hört dies, ihr Priester, und du, Haus Israel, achte darauf, und du, Königshaus, horche! Denn euch droht das Gericht, weil ihr eine Schlinge geworden seid» (Hos 5,1-3; 4,4). Die normalen Menschen, dies willentlich Gottes Gesetz und der Propheten Worte verworfen haben sind ebenfalls schuldig: «denn du hast die Erkenntnis verworfen, darum will ich auch dich verwerfen … Israel ist widerspenstig geworden wie eine störrische Kuh… Ephraim ist an die Götzen gebunden; lass ihn in Ruhe … Israel hat das Gute verworfen … der Assyrer soll ihr König werden, weil sie nicht umkehren wollen» (Hos 4,6; 4,16-17, 8,3, 11,5). Und darum folgt: «Mein Volk geht zugrunde aus Mangel an Erkenntnis» (Hos 4,6).
Hosea beginnt seinen herzzerreissenden Appell in der zweiten Hälfte der Regentschaft von König Jeroboam II (782 -753 BC). Jeroboam ist ein starker Herrscher und das verfallende Israel kann sich unter seiner Leiterschaft wieder etwas behaupten, verlorenes Land wieder erobern und den Handel kontrollieren (2.Kön 14,23-27). Aber der scheinbare Aufschwung ist nur Augenwischerei, der eine falsche Sicherheit und sogar eine oberflächliche Religiosität aufkommen lässt. Die Menschen bringen Gott Opfer dar, aber beten zur gleichen Zeit auch Götzen an – und unterdrücken die Armen und Rechtlosen. Gott aber hasst die Kombination von Religiosität und Unterdrückung, und lässt das Volk dies unmissverständlich wissen. Aber die Menschen, durch den vermeidlichen wirtschaftlichen Aufschwung geblendet, weigern sich, auf Gott zu hören. Hosea versucht mit seinem emotionalen Appell die Menschen wieder in eine Liebesbeziehung zu Gott zurückzuführen, während sein Zeitgenosse Amos durch eine beissende Botschaft versucht, ihre falsche Sicherheit zu erschüttern. Die Hosea und Amos zusammen sind Gottes letzter Aufruf an Israel.
Nach Jeroboam II folgen schwache Könige und Israel als Nation zerfällt sehr schnell: dauernde Umstürze, Attentate und wachsende politischer Instabilität. Schlussendlich schluckt die Weltmacht Assyrien in 732 BC Israels nördlichen Nachbar und Verbündeter Aram (Syrien) und zehn Jahre später in 722 BC Israel selbst. Die Zerstörung ist vollständig und unwiderruflich: Israel (die zehn nördlichen Stämme Israels) werden dahin geschlachtet und die wenigen Überlebenden ins Exil geführt. Sie werden nie wieder zu einer Nation und verschwinden somit von der Geschichtsbühne. Gottes Richtspruch – nach vielen vergeblichen Aufrufen zur Umkehr – ist eingetroffen.
Hosea hat aber auch Worte der Hoffnung. Es ist möglich, dass diejenigen, die die Warnungen Hoseas und anderer Propheten ernst nahmen, sich in das Südreich Juda flüchteten, wo noch mehr Gottesfurcht zu finden war und so dem Urteil entronnen, obwohl Israel als Nation aufhört zu existieren.
Hosea spricht seine Prophezeiungen zu Israel, schreibt sie aber für die Menschen in Juda auf, damit diese Israel nicht ins Verderben folgen, sondern den Gott, der sie über alles liebt, suchen.