JEREMIA
Gott beruft Jeremia in jungen Jahren ein Prophet für Juda und die Nationen zu sein. Von Anfang an ist deutlich, dass seine Berufung ihn zu einer unbeliebten Person machen wird, widersprochen, verachtet und sogar am Leben bedroht. Gott verspricht Jeremia seinen Schutz aber sagt ihm auch unmissverständlich, was ihn erwarten wird.
Der junge Jeremia nimmt diese schwierige und undankbare Mission an. Auch wenn er immer wieder mit dieser Berufung zu kämpfen hat, und lebt sie treu über mehrere Jahrzehnte aus. Obwohl oft angegriffen, abgelehnt, bedroht, geschlagen, gefangen genommen und zum Verräter erklärt wird, gelingt es Jeremia nicht nur, an Gott festzuhalten, sondern auch seine schwierige Berufung anzunehmen und voll zu leben, sogar mit der zusätzlichen Herausforderung von Ausgrenzung und Ehelosigkeit. Er spricht Gottes Botschaft nicht nur, er wird zu Gottes Botschaft: sein Leben wird zum Sinnbild von Gottes sehnsüchtigen Herz Juda gegenüber: Jeremia gibt die Hoffnung nie auf, bittet für sein Volk, ermuntert sie umzukehren, freut sich nicht als seine Prophezeiungen vom kommenden Unheil wahr werden und leidet mit dem Volk durch alles hindurch.
Zur Zeit als Jeremia zu prophezeien beginnt, ist Juda schon in einem recht bedenklichen Zustand. Die Reformen des gottesfürchtigen Königs Josia haben zwar zu einer gewissen Umkehr geführt, aber auch zu viel leerer Religion, halbherziger Hingabe und gemischt religiösen Praktiken. Als Josia in einer unnötigen Schlacht gegen Ägypten (609 BC) früh ums Leben kommt, verfällt Juda wieder dem Götzendienst: Fremde Gottheiten werden in grossem Stil ins Land gebracht, Götzenstatuen werden selbst in Gottes Tempel errichtet, die aaronitischen Priester sind korrupt und vermischen Götzendienst mit Gottes Anbetung und der Molech Kult mit seinen Kindesopfern durch Verbrennung, lebt wieder auf im Topheth, einem Schrein wenig ausserhalb Jerusalems. Mit dem rückhaltlosen Götzendienst kommt auch der Verfall von Gesetz und Gerechtigkeit: Religion wird zum Geschäft, arme Menschen werden ausgebeutet und die Rechte der Schwachen übergangen.
Die letzten paar Könige von Juda ergeben ein trauriges Bild. Obwohl drei von ihnen Söhne des Königs Josia sind (und einer ein Grosssohn), folgt keiner in den Fussstapfen des Vaters, sondern sie sind korrupt, halsstarrig, grausam und hartnäckig gegen Jeremias Botschaft. Unter ihrer Leitung verkommt das jüdische Volk und wird so halsstarrig und gottlos, dass es kein Entrinnen mehr gibt: es bleibt Jeremia nur noch, wieder und wieder den kommenden Untergang vorauszusagen. Jeremia sagt auch voraus, wer die Weltmacht sein wird, die Juda nicht nur besiegen wird, sondern vollständig zerstören und in die Gefangenschaft führen wird. Am Anfang nimmt niemand Jeremias Richtsprüche ernst.
Wenn in früheren Zeiten Propheten das Volk zur Umkehr rufen, konnten sie dem Volk auch versprechen, dass im Falle einer Umkehr zu Gott das Unglück abgewendet würde. Später dann versprachen sie, dass im Fall einer Umkehr wenigstens die Strafe aufgeschoben würde. Zur Zeit Jeremias ist Juda in solch einem Zustand, dass er nur noch versprechen kann, dass diejenigen die zu Gott umkehren am Leben bleiben und einen neuen Start im Exil erhalten würden. Jeremia fordert das Volk, Judas Könige, ja sogar umliegende Nationen auf, sich der babylonischen Eroberung nicht entgegenzustellen sondern sich zu unterwerfen um damit viel Blutvergiessen und Zerstörung zu vermeiden.
Jeremias unbeliebte Voraussagen treffen alle ein: Babylon erobert Juda drei mal und Deportationswelle um Deportationswelle wird Wirklichkeit in 605, 597 und schliesslich 586 BC.
In der Mitte des Untergangs lässt Gott Jeremia erstmals Botschaften der Hoffnung aussprechen. Diese richten sich nicht an die noch überlebenden Juden in Jerusalem die sich stur einbilden, sie können Babylon entfliehen und die Tatsache, dass sie noch nicht deportiert wurden bedeute, dass Gott mit ihnen sei. Jeremias Hoffnungsbotschaften gehen an die Juden, die durch Gottes Urteil hindurchgegangen sind, und sich nun im Exil in Babylon befinden. Diesen gibt Jeremia seine allerwichtigste Voraussage, nämlich dass das Exil nur siebzig Jahre dauern wird. Nach siebzig Jahren, wird das unbesiegbar erscheinende Babylon von einer neuen Grossmacht erobert werden und die Juden, die im Exil leben, werden die Möglichkeit bekommen, nach Juda zurückzukehren.
Solange die siebzig Jahre aber nicht vorbei sind, ruft Jeremia die Juden in Babylon auf, sich für das neue Land zu engagieren, sich niederzulassen, Gärten zu pflegen und Kinder zu haben. Dieses demütige Annehmen von Gottes Urteil und das Festhalten an der Prophezeiung der Rückkehr (die Gott genau so wahr machen wird, wie er die Vorhersagen des Gerichts wahr machte), ist die Haltung, die Gott sucht. Es ist diese Haltung, die den Juden helfen wird, im Exil ihre Identität zu bewahren und schlussendlich zu denen zu werden, an denen sich Gottes Vorhersage der Wiederherstellung erfüllt.