JONA
Die Geschichte von Jona ist gut bekannt und wird gern in Sonntagsschulklassen gebraucht, aber die eigentliche Botschaft geht oft unter. Jona ist in vielen Stücken ein ganz und gar untypischer Prophet: Er ist ungehorsam in seinem Handeln und noch mehr in seiner Haltung, er ist kein Beispiel von Gottes Herzen für seine Zuhörer und ist doch äusserst erfolgreich, erfolgreicher als so ziemlich alle der Alt Testaments Propheten!
Bevor Gott ihn nach Ninive beruft ist Jona ein Prophet in Israel zur Zeit der Königs Jeroboams II (782-753 BC). Im Gegensatz zu den meisten andern Propheten bekommt Jona einen ermutigenden Auftrag. Er darf ankündigen, dass Gott Israel zum Sieg verhelfen wird und dass somit Jeroboam II verlorenes Land wieder einnehmen (2.Kön 14,25). Aber der moralische Zustand Israels ist problematisch: Viele beten sowohl Gott als auch Götzen an (siehe Amos) oder sind direkt dem Götzendienst verfallen. Es findet ein wirtschaftlicher Aufschwung statt in Israel , aber auf Kosten der Armen und Rechtslosen. Einerseits leben viele in Luxus und Verschwendung, aber die soziale Schere öffnet sich weiter und das Rechtssystem ist korrupt. Der vermeintliche Aufschwung hat zu trügerischer Selbstsicherheit und scheinheiligen Religiosität geführt. Israel meint, in seinem Tun von Gott gesegnet und den andern überlegen zu sein. Diese Rassenüberheblichkeit und falscher Stolz zeigt werden nicht zuletzt in Jonas Einstellung klar sichtbar.
Als Gott Jona beruft, nach Ninive zu gehen, weigert er sich schlicht. Ninive ist die kolossale, gut befestigte Hauptstadt von Assyrien, einer Weltmacht bekannt für Grausamkeit und Unterdrückung. Immer wieder hat Israel unter ihnen gelitten und über Jahrhunderte ist Assyrien eine stete Gefahr am Horizont. Jona weiss, dass wenn Gott eine Zerstörung ankündigt, er immer auch die Möglichkeit zur Umkehr gibt und so das Unglück abgewendet werden kann. Da Jona auf keinen Fall will dass Ninive der Zerstörung entgeht, weigert er sich und bricht Richtung Westen (statt Osten) auf um Gott zu entfliehen. Durch die ganze Geschichte zeigt sich, dass Jona einerseits sehr viel über Gott weiss (Gott ist barmherzig, Gott ist allwissend) aber seine Taten zeigen, dass er ihn absolut nicht versteht.
Gott schickt in seiner Gnade einen Sturm, um Jona auf seiner Flucht zu stoppen. Während des Sturms weigert sich Jona, Busse für seinen Ungehorsam zu tun, sondern bringt weiterhin sich selbst und die Seeleute in Gefahr. Auch ist er zu feige um selber über Bord zu springen, sondern kompromittiert das Gewissen der anderen, die ihn über Bord werfen müssen. Gott offenbart sich aber diesen heidnischen Seeleuten, aller falschen Darstellungen durch den Propheten zum Trotz. Dies ist eine Art Vorschau auf was in Ninive geschehen wird (Jona 1).
Gott schickt den berühmten Fisch, um Jona zu retten. Sein Gebet im Bauch des Fisches zeigt wohl Dankbarkeit, aber keinerlei Busse oder einen wirklichen Sinneswandel (Jona 2). Jona nimmt Gottes Überlegenheit zur Kenntnis und entscheidet sich, Gottes Auftrag so schnell wie möglich hinter sich zu bringen (Jona 3,1).
Nach seiner Ankunft in Ninive predigt er der Stadt kurz und bündig ihre kommende Zerstörung in vierzig Tagen. Die Möglichkeit einer Umkehr wird in seiner Predigt mit keinem Wort erwähnt (Jona 3,4). Die Einwohner scheinen selber auf die Idee von Beten und Fasten zu kommen (Jona 3,6-9). Ihr aufrichtige Umkehr und Demut steht in krassem Gegensatz zu Jonas Stolz und Verbohrtheit. Er verlässt dann aus Vorsicht die Stadt (Gott richtet ja vielleicht doch, wie er angedroht hat) und wartet in sicherer Distanz um hoffentlich dem Untergang Ninives beizuwohnen. Nichts geschieht.
Gott lässt über Nacht eine schattenspendende Pflanze wachsen, um Jona vor der Hitze zu schützen. Als die Pflanze innerhalb eines Tages wieder stirbt, ärgert sich Jona noch zusätzlich. Er ist nun schweissgebadet, müde, elend, äusserst wütend und spielt wiederholt mit Selbstmordgedanken. Er beschuldigt Gott barmherzig zu sein: «Ach, Herr, das ist es ja, was ich dachte, als ich noch in meinem Lande war. Deshalb wollte ich ja nach Tarsis fliehen; denn ich wusste, dass du gnädig, barmherzig, langmütig und von grosser Güte bist und lässt dich des Übels gereuen» (Jon 4:2).
Diese Aussage zeigt, dass Jona das Gesetz Gottes gut kannte, er zitiert hier ganz korrekt von 2.Mose 34,6-7 aus Versen, die Gottes Nachsicht beschreiben. Seine eigenen Worte verraten ihn aber: Er will keine Gnade für Ninive. Er selber ist unbarmherzig, nachtragend, überheblich und von Rassenhass getrieben. Jona beklagt sich wortstark und gekränkt über genau über die Gnade, die ihn selber am Leben liess! Und genauso geht es uns auch oft. Gott hilft ihm liebevoll, selbst weiter zu denken.
Tut Jona eigentlich je von Herzen Busse? Nirgends während der Geschichte. Aber doch muss die Antwort muss «ja» sein, aber erst nach der ganzen Geschichte, denn nur ein wahrhaftig veränderter Jona, der die Botschaft verstanden hat und von Herzen demütig geworden ist, kann das Buch Jona so schreiben, wie es vorliegt. Er erzählt in seinem Buch mit Witz und Selbstironie die Geschichte seiner grössten Dummheit und seines peinlichen Stolzes. Er hofft dadurch seinen israelitischen Zuhörern den Spiegel vorzuhalten und sie zu einer Umkehr zu bringen, denn sie haben die genau gleiche Überheblichkeit und abwertenden Haltung, die Jona auch hatte.