NAHUM
Nahum macht eine gewagte Vorhersage über den Untergang des grausamen, unterdrückenden assyrischen Weltreichs und seiner Hauptstadt Ninive um seine Zuhörer zu versichern, dass Gott Gerechtigkeit bringen wird.
Der Prophet Nahum von Elkosch, der Autor dieser kurzen Prophezeiung, ist bis auf diese eine Botschaft unbekannt. Er wirkte um etwa 640-628 BC an Juda, zu einer Zeit, da Assyrien die unangefochtene, erdrückende, grausame Weltmacht war, die Bedrohung die sich immer irgendwie am Horizont abzeichnete. Assyrien war bekannt für seine extreme Grausamkeit in der Kriegsführung, die gewaltsame Umsiedlung und Durchmischung eroberter Völker, für erdrückende Steuern und für das Aufzwingen der Anbetung Ashurs, des assyrischen Hauptgottes.
Etwas über hundert Jahre vor Nahum, forderte ein sehr unwilliger Jona die Bürger von Ninive, der Hauptstadt Assyriens auf, umzukehren. Zu seiner völligen Überraschung demütigten sie sich und das Unglück wurde abgewendet. Aber diese Tage der Demut sind schon lange vergangen und für fast hundert Jahre (seit 750 BC) ist Assyrien für seine Unterdrückung und Grausamkeit berühmt. Keine der eroberten Völker schaffte es je, die Assyrer erfolgreich herausfordern. Assyrien expandiert weiter und annektiert und zerstört Syrien in 732 BC und Israel in 722 BC vollständig. Juda entkommt nur haarscharf dem gleichen Schicksal, dank einem demütigen König Hiskia, der zu Gott fleht und dadurch eine kraftvolle Intervention Gottes auf den Plan ruft.
Nahum sagt in seiner unbeschreiblich kühnen Prophezeiung voraus, dass diese unantastbare Assyrien samt seiner Hauptstadt Ninive vollständig zerstört würde. Dies erschien wahnwitzig, denn die Festungsanlagen von Niniveh waren beispiellos. Die Stadtmauer war etwa 30 Meter hoch und 14 km lang, befestigt mit hohen Türmen und 15 Toren. Die Mauer war so breit, dass drei Wagengespanne nebeneinander auf der Krone fahren konnten. Vor der Mauer war ein 45 Meter breiter und fast 20 Meter tiefer Graben, und weitere vier Gräben und fünf Mauern fanden sich aussen herum. Die Befestigungsanlagen (fünf Mauerringe) waren etwa 250 Meter im Durchmesser, rund um die ganze Stadt.
Nahums Waghalsigkeit die vollständige Zerstörung einer uneinnehmbaren Stadt vorauszusagen ist absolut bemerkenswert. Er beschreibt sehr mutig das Undenkbare und gebraucht dazu lebhafte, detaillierte Vorstellungen der zukünftigen Belagerung und Einnahme Ninives. In kurzen Stakkatosätzen beschreibt er die anrückende Kavallerie, die Belagerung, das verzweifelte Unterfangen, mehr Ziegel für die Befestigung zu fertigen, den Zusammenbruch der Befestigungen, das Massaker vor den Toren, die fliehenden Einwohner und das Abführen der Gefangenen. Er gebraucht sehr viel Ausdrücke die etwas mit Wasser zu Tun haben: «Ninive ist wie ein Teich … die Flussschleusen sind geöffnet … Flutwellen». Es stellt sich heraus, dass diese Vergleichsbilder nicht nur spektakulär klingen, sondern auch genaue Voraussagen waren: Als die babylonischen, medischen und scythischen Armeen im Jahr 612 BC Ninive belagerten ereigneten sich schwere Regenfälle. Die Flüsse traten über die Ufer, was zur Erweichung der Befestigungen und einem schnellen Durchbruch führte.
Nahum gebraucht auch viele Ausdrücke die mit Feuer und grosser Hitze zu tun haben: «Sein Zorn ist ausgegossen wie Feuer … Sie werden wie trockenes Stroh verbrannt … Ich lasse deine Pferdewagen in Flammen aufgehen … Feuer hat die Balken eurer Tore verkohlt». Die Zerstörung Ninives war so vollständig dass für 2600 Jahre niemand mehr wusste, wo die Stadt gelegen hatte. Erst im neunzehnten Jahrhundert wurden die Ruinen gefunden und mit Ausgrabungen begonnen. Es wurde dabei viel verkohltes Holz und Asche gefunden, was die Voraussagen von Nahum bestätigt.
Es ist wahrscheinlich, dass Nahums Vorhersage Ninive gar nie erreicht hat, nicht wie diejenige von Jona hundert Jahre früher. Nahum sprich zu Juda, das, wie viele andere, arg unter der Grausamkeit der Assyrer gelitten hat. Nahum verankert seine Botschaft in einer Beschreibung von Gottes Charakter: Gott sieht, er kümmert sich um Ungerechtigkeit, er wird Bosheit nicht ewig tolerieren. Er ist gerecht und wird Rache üben, er wird den Unterdrücker richten. Er hat die Macht dazu und hält die Geschichte der Welt in der Hand.
Gott verkündet die kommende Zerstörung Assyriens, was eine gute Nachricht für die unterdrückten Völker bedeutet: «Siehe auf den Bergen die Füsse dessen, der frohe Botschaft bringt, der Frieden verkündigt» (Nah 2,15). Das ist die Beschreibung des Moments, wo die Nachricht vom Fall Ninives den Leuten überbracht wird und viel Freude und Erleichterung auflöst. Paulus gebraucht dann diesen Satz dann in Röm 10,15 um die Verbreitung der noch viel besseren Freiheitsbotschaft, des Evangeliums, zu beschreiben: Jesus am Kreuz besiegt nicht nur eine feindliche Macht, sondern das Böse schlechthin.