HIOB
Das Buch Hiob erzählt die Geschichte von einem guten Mann, der sich, im Angesicht einer unglaublichen persönlichen Tragödie, mit dem Leben, mit Gott und der Frage nach der Gerechtigkeit auseinandersetzt.
Hiobs Geschichte, sein Ringen mit Gott, dem Leben und der Frage von Gerechtigkeit ist auch unter Menschen, die die Bibel nicht kennen, ziemlich bekannt. Obwohl Hiobs Geschichte so schwierig ist und so viele Fragen aufwirft, hat sie eine universelle Resonanz. Sie hat über Jahrhunderte Menschen von ganz verschiedenem Hintergrund angesprochen, wohl weil sie sich so ehrlich mit der Realität des Leidens auseinandersetzt.
Es ist schwierig, diese Geschichte in einen historischen Zeitrahmen zu setzen. Die beschriebenen Geschehnisse wie auch das Niederschreiben der Geschichte sind schwer datierbar. Einige Details können jedoch zusammengetragen werden: Es ist wahrscheinlich, dass Hiob nicht zur Familie von Abraham gehörte, noch aus seinem Ursprungsland Ur stammte. Wo Hiob gelebt hat ist auch unklar, aber es war ziemlich sicher nicht in Israel. Die Freunde von Hiob, die dann kommen um ihn zu trösten sind, ihren Namen nach, wahrscheinlich auch keine Juden. Die Tatsache, dass Hiob als Familienoberhaupt auch Priesterfunktionen übernimmt (er bringt Opfer für die Familie dar), deutet auf die Zeit Abrahams, und sicher auf einer Zeit vor Mose, vor dem Gesetz, der Stiftshütte und den zentral abgehaltenen Opfern.
Das Buch ist als wunderschöne hebräische Dichtung verfasst, was man nicht erwarten würde von einem verzweifelten Mann, der sich seine Seele vom Leib schreibt. Es ist eher wahrscheinlich, dass die Geschichte von Hiob später in diese Dichtung umgeschrieben wurde. Aber wann? Es lassen sich nur wenige Anhaltspunkte finden. Hat Hiob die Geschichte selbst verfasst, nachdem es ihm wieder gut ging? Hiob findet sich inmitten der Weisheitsschriften der Bibel, die zur Zeit Salomos geschrieben wurden. Es könnt darum sein, dass das Buch Hiob zur Zeit Salomos in die jetzige Form gebracht wurde, aber vorher über Jahrhunderte als mündliche Tradition von Generation zu Generation weitergegeben wurde.
Die Geschichte selbst ist eine bewusste Herausforderung von «orthodoxen Theologie»: Das Buch lässt es so erscheinen, dass Satan diesmal die Fäden in der Hand hält. Er manipuliert Gott dazu, Hiob durch ungerechtfertigtes Leiden zu plagen. Hiobs Freunde, die versuchen Gottes Gerechtigkeit zu verteidigen, werden am Schluss zurechtgewiesen. Und Hiob, der Sachen sagt, die wir lieber nicht in der Bibel lesen würden, wird am Schluss zu demjenigen erklärt, der richtig über Gott gesprochen hat. So fordert das Buch Hiob unser Denken und Verstehen provokativ heraus. Es stellt auch die «normale», etablierte Lehre in Frage, dass die Guten werden gesegnet werden und die Bösen leiden werden.
Auf diesem Denken beruhen die «Ratschläge» der Freunde Hiobs. Sie schliessen, dass wenn Gott gerecht ist und Hiob wirklich leidet, dann muss Hiob irgendwie gesündigt haben. Hiob verneint dies und die Diskussion wird immer emotionaler, selbstgerechter und beleidigender. Die Freunde, die mit sehr guten Absichten gekommen sind, werden von der Realität von Hiobs Leiden und ihrer engen Theologie in immer extremere Aussagen gedrängt. Statt demütig zuzugeben, dass sie und ihre Theologie angesichts von Hiobs Leidens schlicht überfordert sind, opfern sie Hiob ihrer engstirnigen Theologie und versündigen sich somit.
Gott sieht Hiob mit sehr wohlwollenden Augen, ist er es doch, der leidet. Obwohl Hiob niedergeschlagen, wütend, sich selbst rechtfertigend, trotzig, zweifelnd und sogar suizidal wird und Gott anklagt, bleibt er in allem drin auf Gott augerichtet. Er beklagt sich bei Gott, schreit zu Gott und verlangt Antworten von Gott. Er ist wie das kleine Kind, das verzweifelt gegen die Brust das Vaters schlägt, der es aber immer noch liebevoll im Arm trägt. Gerade als Hiob von diesem Kampf total erschöpft und sicher ist, dass es nie mehr besser wird, tritt Gott persönlich in die Szene. Gott spricht mit Hiob, ganz direkt, über vier Kapitel hinweg, etwas, was sonst in der Bibel nirgends so zu finden ist. Die Tatsache, dass Gott selbst zu ihm kommt, sich kümmert und mit ihm spricht muss eine Labsal für Hiob gewesen sein. Interessanterweise beantwortet Gott keine einzige Frage Hiobs und auch über die genauen Ursachen seines Leidens verliert er kein Wort. Im Gegenteil, Gott fragt Hiob eine ganze Liste von Fragen, an denen sich Gottes unendliche Macht, Weisheit und Güte zeigen. Gott sagt ihm, dass Hiob mit seiner Endlichkeit einfach nicht in der Lage ist, Gott zu beurteilen. Das extreme Leiden hat Hiob in ein binäres Denken geführt («wenn Du das machst dann musst du ungerecht sein»), was aber nicht der komplexen Natur der realen Welt entspricht.
Hiob beugt sich willig vor der Grösse und Herrlichkeit Gottes und kommt mit einem unendlich vertieften Gottverständnis aus dieser Leidenszeit heraus, das ohne das Leiden so nie möglich gewesen wäre (Hiob 42,5). Er tut willig Fürbitte vor Gott für seine Freunde, die auch einiges dazugelernt hatten. Gott wendet alles herum und Hiob ist am Schluss noch wohlhabender und angesehener als je zuvor. Das einzige, was Satan erreicht hat mit seien Manipulationen, ist eine tiefere Beziehung aller Involvierten mit Gott, – nicht eben ein Sieg für ihn.
Gott nimmt die zweifelnden und anklagenden Worte Hiobs, lässt sie niederschreiben und macht sie Teil der Bibel, Teil des «Wortes Gottes» damit alle späteren Generationen sie lesen können – was sagt das über Gott aus? Es ist Gott viel wichtiger, dass Menschen ihn verstehen und in ihrem Leiden Hilfe bekommen, als sein Image zu wahren!
Kommen.